Humor in der Kirche · plattform Nr. 18 / September 1999

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Humor - die Feuchtigkeit des Lebens

In der Kirche darf nicht geIacht werden? Von wegen! Wir unterhielten uns mit jemandem, der es mit Sicherheit besser weiss: Werner "Tiki" Küstenmacher, seines Zeichens "meistbeklauter" Cartoonist Deutschlands ...

 

Humor in der Kirche

Die Fachtagung zu diesem Thema, die am 20. März 1999 in Schaffhausen stattfand, erfreute sich einer regen Teilnahme. Absoluter "Star" war natürlich der Münchener Cartoonist und Theologe Werner "Tiki" Küstenmacher, der als Referent eingeladen war. Entsprechend war auch der Andrang bei der Autogrammstunde. Er vermittelte dem Publikum vieles über Humor an sich und "kirchlichen Humor" im Speziellen.

Dass nicht nur seine Zeichenfeder spitz sein kann, bewies er unter anderem durch einige satirische Texte, die er im Gottesdienst vortrug. Für einmal durfte in der Kirche über Kirche gelacht werden.

Was bringt einen Theologen dazu, Cartoons über die Kirche zu zeichnen?

Tiki: Ich habe schon immer gerne gezeichnet und gerne witzige Zeichnungen angeschaut. Zunächst wollte ich gar nicht Zeichner werden, da ich dachte, von denen gäbe es schon viel zu viel. Dann aber stellte ich fest, dass gerade in der Kirche das Gegenteil der Fall war. Ich begann also für ein Kirchenblättchen eine erste Karikatur zu zeichnen. Die war zwar schlecht und laienhaft, doch sie wurde abgedruckt. Mit der Zeit wurden es dann immer mehr, das Zeichnen lernt man schliesslich durch das Zeichnen am besten.

Was halten Sie ganz allgemein von Humor, nicht nur auf die Kirche bezogen?
Tiki
: Humor ist die Feuchtigkeit des Lebens. Es ist eine ganz besondere Fähigkeit, die der Mensch hat, sich selber zu relativieren und leichter zu nehmen. Es ist schlimm, wenn man sich diese Grundfunktion des Menschen abtrainiert. Humor ist eine wichtige Kulturleistung, auch wenn man glaubt, eine noch grössere Kultur entstehe, wenn man den Humor wegtrainiert. Dieser Meinung bin ich nicht. Man muss die Freundlichkeit behalten. Das hat wohl auch mit Fehlertoleranz zu tun, mit der Fähigkeit, über Schwächen von jemand anderem hinwegzusehen und vielleicht darüber auch einmal einen Witz zu machen.

Wo hat der Humor seine Grenzen? Gibt es auch Tabuzonen?
Tiki
: Ganz klare Tabus sind religiöse Symbole, und zwar dann, wenn man versucht, sie mit einem Witz zu desavouieren. Da kann man Gefühle von Menschen schwer verletzen. Ich kenne z.B. Karikaturen, die zeigen, wie Jesus am Kreuz uriniert oder wo ein Hase ans Kreuz geschlagen wird. Das ist überhaupt nicht witzig, sondern es zielt nur darauf ab, das Tabu zu verletzen, keine Witze über den gekreuzigten Jesus zu machen. Da liegt für mich eine ganz klare Grenze.

Sie halten nichts von der These. dass Religion oder Politik zu ernste Themen wären, um darüber Witze zu machen?
Tiki
: Es gibt natürlich in der Politik und in der Religion Grundwahrheiten, die man nicht veräppeln soll. Ich denke, dass Karikaturisten, sowohl in der Religion als auch in der Politik, grosse Moralisten sind, die auf eben diese Grundwahrheiten hinweisen wollen, und alles, was davon ablenkt, geisseln. Was veräppelt gehört, sind Eigenheiten von Politikern wie die Ruhmsucht oder das Sich-gerne-Reden-Hören usw.

Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen? Sind da ganz persönliche Erfahrungen dahinter?
Tiki
: Am besten funktioniert es immer dort, wo ich mich selbst gut auskenne und weiss, was für Schwachstellen es gibt. Die Geburt eines Witzes ist immer schwer. Meistens weiss ich zwar, was ich sagen will. Doch wie macht man es, dass es so sehr übertrieben wirkt, dass die Menschen lachen und sich selbst betroffen fühlen? Nicht alle Witze sind gleich gut. Manchmal muss ich halt unter Druck den zweit- oder drittbesten Cartoon nehmen, wenn ich auf den erstbesten nicht komme. Hie und da hat es dann aber doch ein paar Perlen darunter.

Sie haben ein neues Projekt, einen Reiseführer für Mondreisende. Worum geht es da?
Tiki
: Das ist ein ganz ernstgemeinter Reiseführer für Reisen zum Mond. Er ist bereits erschienen und verkauft sich nicht schlecht. - Dabei handelt es sich um ein für mich eher untypisches Werk. Ich habe dazu recherchiert, was mir ungemein Spass gemacht hat. Natürlich hat es auch einige Cartoons darin. Witzig ist das Umfeld: Ich habe mir ein Mond-Grundstück gekauft, wir haben Helmut Kohl zum Mondkanzler gemacht, um dem Buch etwas Publicity zu verschaffen. Das ist letztlich auch Humor. Das Buch wird so zu einer Art Gesamtkunstwerk, zu einem ,,Multimedia-Joke". Aber ich habe damit keine eigentliche Botschaft ...

... aber einen Traum vieler Deutscher erfüllt, Helmut Kohl irgendwo auf dem Mond zu platzieren ...
Tiki: ... Genau. Das ist natürlich die unausgesprochene Pointe, die sogar zur Nachrichten-MeIdung wird: Helmut Kohl wird auf den Mond geschossen. Man könnte dies als Karikatur machen, als einen plumpen Witz. Ich bin natürlich stolz darauf, nun diesen Witz in die Zeitungen gebracht zu haben.

Was oder wer bringt Sie selbst zum lachen?
Tiki: Persönlich kann ich sehr gut lachen über Harald Schmidt; er macht eine echte Kultsendung für Profi-Witzbolde. Zwar schiesst er manchmal über das Ziel hinaus und macht ziemlich geschmacklose Witze. Doch oft sind seine Scherze auch sehr schön und treffsicher. Ich liebe die klassischen französischen Karikaturisten wie Sempé oder Cherval. Am liebsten aber lache ich über mich selber. Ein wichtiges Anliegen von mir ist, dass in einem Witz etwas über mich drin ist, so etwas wie ein Spiegelbild von mir selbst. Mir wird, ohne es zu merken, der Spiegel vorgehalten, und ich lache über das lustige Gesicht, das ich darin sehe.

Dann kann es also auch geschehen, dass Sie während des Zeichnens in schallendes Gelächter ausbrechen?
Tiki: Eigentlich nie. In Ausnahmefällen kommt es vor, dass ich auf eine Zeichnung so stolz bin, dass ich sie anderen zeige. Und wenn diese Leute dann lachen, bin ich sehr glücklich. Am ehesten lache ich selbst beim Schreiben. Ich verfasse Glossen für Computer-Zeitschriften und kirchliche Satiren. Da kommt es schon mal vor, dass ich selbst lachen muss. Auch als ich die Texte für den heutigen Gottesdienst ausgesucht hatte, musste ich beim Lesen ein paarmal lachen. Da fällt es einem offensichtlich leichter als beim Zeichnen.

Tiki Küstenmacher, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Thomas Berner


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